78. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 28.05.2013. Genehmigung erweitert am 18.11.2014 und 30.09.2015 (siehe 2.). Registereintrag zuletzt geändert am 19.11.2015.
1. Genehmigungsinhaber(in)
Herr Dr. Micha Drukker, Helmholtz Zentrum München
2. Zell-Linien
Die vorgesehenen Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H7 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H13 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H14 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- I3 (Technion, Haifa, Israel)
- I4 (Technion, Haifa, Israel)
- I6 (Technion, Haifa, Israel)
Im Rahmen der Erweiterungen der Genehmigung vom 18.11.2014 und 30.09.2015 wurden zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen der folgenden weiteren Linien genehmigt:
- HUES 6 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES 8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES 9 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
Die Genehmigung gilt auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z. B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten sollen humane embryonale Stammzellen (hES-Zellen) entlang der mesodermalen Linie in kardiovaskuläre Zellen differenziert und daran beteiligte Signalkaskaden identifiziert werden. Im Mittelpunkt steht dabei die detaillierte Charakterisierung jener frühen Differenzierungsereignisse, die von hES-Zellen zu (sich selbst erneuernden) mesodermalen Vorläuferzellen und von diesen weiter zu jenen kardiovaskulären Vorläuferzellen führen, die in die drei wesentlichen Zelltypen des Herzens (Kardiomyozyten, glatte Muskelzellen und endotheliale Zellen, CSECs) differenzieren können. Dazu sollen hES-Zellen nach im Vorhaben zu optimierenden Protokollen in mesodermale und kardiovaskuläre Vorläuferzellen differenziert und diese anhand bekannter Marker angereichert werden. Die Vorläuferzellen sollen dann umfassend auf den Ebenen des Transkriptoms, des Epigenoms und Proteoms charakterisiert werden. Durch die ektopische Expression bzw. durch die siRNA-basierte Repression von Genen, deren Produkte an der Erreichung bzw. Aufrechterhaltung des jeweiligen Zwischenstadiums der Differenzierung beteiligt sind, sollen weitere für die frühe kardiale Differenzierung wesentliche Genprodukte identifiziert und Zwischenstadien der frühen kardialen Differenzierung (z.B. mesodermale Vorläuferzellen) detaillierter als bislang charakterisiert werden. Zudem sollen durch die Analyse der Effekte bestimmter Zytokine auf die frühe kardiale Differenzierung Signalkaskaden identifiziert werden, die an der Spezifizierung der mesodermalen und kardialen Zellen beteiligt sind. Die kardialen Vorläuferzellen sollen ferner in vitro und in vivo in die verschiedenen kardialen Zelltypen weiterdifferenziert, diese umfassend charakterisiert und letztendlich bezüglich ihres möglichen therapeutischen Potentials in einem Kardiomyofarkt-Modell der Maus getestet werden. Ferner soll mit Blick darauf, dass die Transkriptome einzelner sich differenzierender humaner pluripotenter Stammzellen offenbar erhebliche Unterschiede aufweisen können, eine neu entwickelte Methode zur Transkriptomsequenzierung von Einzelzellen auf sich differenzierende hES-Zellen angewandt und die Analyse dabei auch auf Zellen ausgedehnt werden, die sich nach Exposition gegenüber BMP4 in Richtung von Zellen des Trophoblasten entwickeln. Alle Forschungsfragen sollen auch an humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) untersucht werden, um Gemeinsamkeiten und potentielle Unterschiede zwischen hES- und hiPS-Zellen bei ihrer Differenzierung in kardiovaskuläre Zellen bzw. Zellen des Trophoblasten bestimmen zu können.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie und können darüber hinaus zur Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen beitragen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Vorrangiges Ziel des genehmigten Forschungsvorhabens ist die Erlangung eines besseren Verständnisses von jenen Prozessen, die bei der Differenzierung von hES-Zellen zu mesodermalen und kardialen Vorläuferzellen ablaufen. Im Mittelpunkt steht dabei die Gewinnung möglichst reiner Populationen der genannten Vorläuferzellen, die zunächst bezüglich ihres Transkriptoms untersucht werden sollen. Aus der Erstellung von für die jeweiligen Differenzierungsstadien charakteristischen Transkriptionssignaturen wird vor allem die Identifizierung von Genen erwartet, deren Produkte entweder an der Spezifizierung in den jeweiligen Zelltyp oder aber dessen Aufrechterhaltung und Selbsterneuerung beteiligt sind (Kandidatengene). Durch ektopische Expression der Kandidatengene in sich mesodermal bzw. kardiovaskulär differenzierenden Zellen bzw. durch die gezielte Ausschaltung ihrer Expression sollen die Rolle der entsprechenden Genprodukte an der frühen kardialen Differenzierung verifiziert und Methoden entwickelt werden, mit deren Hilfe Intermediärstadien der kardialen Differenzierung in vitro stabilisiert und Vorläuferzellen zu hohen Zellzahlen propagiert werden können. Letzteres ist insbesondere im Hinblick darauf, dass für künftig vorstellbare Gewebeersatztherapien große Mengen von Zellen hoher Reinheit benötigt werden, von erheblicher Relevanz. Die kardiovaskulären Vorläuferzellen sollen dann sowohl in vitro als auch in vivo (nach Transplantation unter die Nierenkapsel immundefizienter Mäuse) zu den verschiedenen Zelltypen des Herzens (Kardiomyozyten (cardiomyocytes), glatte Muskelzellen (smooth muscle cells) und endotheliale Zellen (endothelial cells), CSECs) differenziert und hierbei insbesondere die Fähigkeit untersucht werden, reife kardiale Zellen zu bilden. Die geplante Analyse von deren Transkriptionsprofilen wird voraussichtlich zu weiteren Erkenntnissen über an der Reifung kardialer Zellen beteiligte Genprodukte führen.
Ferner sind Erkenntnisse darüber zu erwarten, welche Veränderungen sich im Laufe der kardiovaskulären Differenzierung auf epigenetischer Ebene abspielen. Der Schwerpunkt der geplanten Arbeiten liegt dabei auf der Identifizierung von Histon-Modifikationen, die in den verschiedenen zellulären Stadien der kardiovaskulären Differenzierung auftreten. Dazu sollen spezifische Histonmodifikationen mit den für das jeweilige Differenzierungsstadium charakteristischen Genexpressionsmustern korreliert und auf diesem Wege Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Kombinationen spezifischer Histonmodifikationen die Genexpression während bestimmter Phasen der kardiovaskulären Differenzierung beim Menschen bestimmen. Damit sollen Erkenntnisse über den möglichen Einfluss von Histonmodifikationen auf die Expression von entwicklungsrelevanten Genen in Stamm- und Vorläuferzellen gewonnen werden.
Zudem soll die wesentliche Frage nach den Ursachen für die erheblichen Unterschiede der Zugänglichkeit von hES-Zellen für eine effiziente kardiale Differenzierung durch Analyse der Transkriptome auf Einzelzell-Ebene geklärt werden. Die dafür erforderlichen Analysen sollen zu umfangreichen Daten über Genexpressionskaskaden führen, die ab den frühesten Phasen der mesodermalen Differenzierung ablaufen, und auf diesem Wege zu neuen Erkenntnissen über die Sequenz der Genexpressionsereignisse sowie über möglicherweise existierende Subpopulationen von Zellen beitragen, die eine unterschiedliche Expression von Schlüsselgenen der mesodermalen Differenzierung aufweisen. Insgesamt soll geklärt werden, in welcher Reihenfolge die Ereignisse ablaufen, die letztlich zu Differenzierungsentscheidungen auf Einzelzell-Ebene nach Induktion der mesodermalen Differenzierung führen. Zudem könnten Fragen danach geklärt werden, warum bestimmte Zellen einer mesodermalen/kardialen Differenzierung nicht zugänglich sind und welche Konsequenzen das Einwirken gegensätzlicher Differenzierungssignale auf Einzelzellebene hat. Diese Fragestellungen sind von hoher Relevanz für das Verständnis früher Differenzierungsvorgänge beim Menschen und damit für die Grundlagenforschung.
Die angestrebten Erkenntnisse über Vorgänge bei der frühen kardiovaskulären Differenzierung von hES-Zellen auf den Ebenen des Transkriptoms, der Signalübertragung und des Epigenoms können zudem Rückschlüsse auf entsprechende Prozesse während der frühen embryonalen und fötalen Entwicklung beim Menschen ermöglichen.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
Es wurde dargelegt, dass im Mausmodell eine Reihe von Transkriptionsfaktoren identifiziert wurde, die für die mesodermale und kardiale Differenzierung essentiell sind und deren Relevanz für die Differenzierung in vitro an ES-Zellen der Maus gezeigt wurde. Die Beteiligung von Zytokinen und Signalwegen, wie beispielsweise des wnt/β-Catenin-Signalweges, an der kardiovaskulären Differenzierung sowie an der Selbsterneuerung kardiovaskulärer Vorläuferzellen wurde ebenfalls im murinen System gezeigt und ist in der Literatur umfangreich dokumentiert. Ebenfalls gut dokumentiert ist die erhebliche Rolle von Histonmodifikationen bei der Regulation der Aktivität von Transkriptionsfaktoren, die an der Morphogenese des Herzens beteiligt sind. Eine Reihe von Veränderungen im Muster der Histonmodifikationen im Zuge der kardiovaskulären Differenzierung von murinen und humanen ES-Zellen wurde kürzlich ebenfalls publiziert.
Der Genehmigungsinhaber selbst hat zudem in der Vergangenheit sehr umfangreiche Arbeiten zur frühen Spezifizierung und zur Differenzierung von hES-Zellen in Zellen der mesodermalen und kardiovaskulären Linien durchgeführt und publiziert. Dabei wurde u. a. eine mesodermale Vorläuferzell-Population identifiziert, die in Hinblick auf ihr Expressionsmuster große Ähnlichkeit mit mesodermalen Zellen des Primitivstreifens aufwies und in die verschiedenen Zelltypen des Herzens differenziert werden konnte. Die beantragten Arbeiten bauen auf diese an hES-Zellen im Ausland durchgeführten und bereits publizierten Arbeiten auf und schließen daran an, die methodischen Vorgehensweisen, beispielsweise zur effizienten Sequenzierung des Transkriptoms von Einzelzellen, sind umfassend vorgeklärt.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Zur Erreichung der Forschungsziele, ein besseres Verständnis der Prozesse der mesodermalen und frühen kardiovaskulären Differenzierung beim Menschen zu erlangen und dabei auftretende zelluläre Intermediate im Detail zu analysieren, sind menschliche Zellen erforderlich. Die Aufklärung der Prozesse, die bei der mesodermalen und kardialen Differenzierung beim Menschen ablaufen, kann nicht unter Verwendung von embryonalen Stammzellen der Maus erfolgen, da erhebliche Unterschiede in der transkriptionellen Regulation von Pluripotenz und Differenzierungsinduktion zwischen dem murinen und humanen System bestehen. Wesentliche Unterschiede bestehen ferner in Bezug auf die Mechanismen der Regulation entwicklungsrelevanter Gene, in Hinblick auf Zelloberflächenmarker der Differenzierungsstadien sowie bezüglich der physiologischen Eigenschaften der Herzmuskelzellen.
Adulte Stammzellen des Menschen, insbesondere kardiale Vorläuferzellen, lassen sich derzeit nicht in für die Projektdurchführung ausreichender Menge und reproduzierbarer Qualität gewinnen. Zudem haben die Forschungsarbeiten zum Ziel, die Differenzierung in mesodermale und frühe kardiovaskuläre Vorläuferzellen zu untersuchen und die Eigenschaften dieser Zellen zu analysieren. Diese Differenzierungsschritte haben (potentielle) adulte kardiale Vorläuferzellen bereits durchlaufen.
Die Forschungsziele können voraussichtlich auch nicht unter Verwendung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) erreicht werden. Zwar ähneln hiPS-Zellen hES-Zellen in vielfacher Hinsicht, sind jedoch mit ihnen nicht identisch. hiPS-Zellen erwerben während des Reprogrammierungsprozesses ggf. Mutationen oder weisen Mutationen auf, die in der somatischen Ursprungszelle enthalten sind. Zudem zeigen hiPS-Zellen im Vergleich mit hES-Zellen epigenetische Unterschiede und besitzen ein epigenetisches Gedächtnis. Es kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass hiPS-Zellen ein geeignetes Modell zur Untersuchung der hier interessierenden Prozesse der frühen mesodermalen und kardiovaskulären Differenzierung sind.
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