68. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Genehmigungsinhaber(in)
Medizinische Hochschule Hannover
2. Zell-Linien
Die vorgesehenen Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- I3 (Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
- I4 (Technion-Israel Institute of Technology, Haifa, Israel)
- HES-3 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
- HES-4 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
- HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) ist die detaillierte Untersuchung der Fragestellung, welchen genomischen Veränderungen hES-Zellen im Verlaufe ihrer Langzeitkultivierung unterliegen und wodurch diese bedingt werden. Es soll geklärt werden, ob sich bestimmte Kulturbedingungen, beispielsweise Kultivierung in Suspensionskultur, gleichermaßen auf für die zelluläre Pluripotenz maßgebliche Eigenschaften und insbesondere auf die genomische Integrität verschiedener Typen von humanen pluripotenten Stammzellen (hPS-Zellen) auswirken, namentlich von humanen hES-Zellen und induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen). Dazu sollen zunächst verschiedene Kulturbedingungen hinsichtlich ihres Einflusses auf die genomische Integrität dieser Zellen getestet werden, wobei u. a. auch die De-novo-Mutationsrate während der Langzeitkultivierung bestimmt werden soll. Im weiteren sollen hPS-Zellen in Gegenwart von Substanzen kultiviert werden, die zur Selektion gegen aneuploide Zellen in einem Zellgemisch oder zur Modulation der Aktivität von DNA-Reparaturenzymen genutzt werden können. Auf diesem Wege soll die Akkumulation möglicher genomischer Veränderungen in hPS-Zellen während ihrer Langzeitkultivierung verhindert werden. Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen dann genutzt werden, um Protokolle für die Massenkultivierung von hES-Zellen in Suspensionskultur und in Bioreaktoren zu etablieren und zu optimieren, wobei der Schwerpunkt auch hier auf Untersuchungen zur genomischen Integrität der Zellen liegen soll.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie der Erweiterung von Kenntnissen bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Es ist seit längerem bekannt, dass infolge von Langzeitkultivierung Änderungen im Genom von hES-Zellen auftreten, die teilweise mit jenen genetischen Veränderungen übereinstimmen, die auch in humanen embryonalen Karzinomzellen (EC-Zellen) akkumuliert werden. Veränderungen im Genom wurden jüngst auch bei Langzeitkultivierung von hiPS-Zellen festgestellt. Die genetische Stabilität von hPS-Zellen ist jedoch eine Voraussetzung dafür, diese Zellen später für klinische Anwendungen (beispielsweise in der Gewebeersatztherapie) anwenden zu können, da die durch den Kulturprozess akkumulierten genetisch Veränderungen ein onkologisches Risiko beinhalten. Auch für In-vitro-Anwendungen von hPS-Zellen (beispielsweise in der Arzneimittelentwicklung oder Toxizitätstestung) werden Zellen benötigt, die keine ungewollten genetischen Veränderungen erfahren haben und folglich in gleichbleibender Qualität verfügbar sind.
Zielstellung des genehmigten Forschungsvorhabens ist es, die Kulturbedingungen für die (Massen)Kultivierung von hPS-Zellen so zu optimieren, dass diese während der Langzeitkultur genetisch möglichst stabil bleiben. Voraussetzung für die Erreichung dieses Forschungsziels ist die zunächst vorgesehene detaillierte Untersuchung der Fragestellung, welche genetischen Veränderungen überhaupt auftreten, wodurch sie verursacht werden sowie ob und wenn ja welche Eingriffe in die Kulturbedingungen die Auslösung der jeweiligen genetischen Veränderung verhindern können. Dazu sollen hES-Zellen über längere Zeiträume unter verschiedenen Bedingungen kultiviert und zu verschiedenen Zeitpunkten bezüglich der Integrität ihres Genoms mit verschiedenen Methoden, die unterschiedliche Arten genetischer Veränderungen erfassen können, untersucht werden. Dieses Vorgehen kann Aufschluss über den Zusammenhang von spezifischen Kulturbedingungen und dem Auftreten bestimmter genetischer Veränderungen geben, woraus sich ggf. auch Rückschlüsse über Moleküle und Signalwege ziehen lassen, die an der Auslösung der jeweils beobachteten genetischen Veränderungen beteiligt sind.
Ferner zielt das Vorhaben auch auf die Entwicklung von Strategien, mit denen genetische Veränderungen während der Langzeitkultivierung von hPS-Zellen möglicherweise unterdrückt werden können. Durch Kultivierung der Zellen in Gegenwart von Substanzen, die eine letale Wirkung auf aneuploide, nicht jedoch auf genetisch normale Zellen haben, könnte eine Selektion zugunsten jener Zellen innerhalb einer Population erfolgen, die über einen noch unveränderten Chromosomensatz verfügen. Zudem soll überprüft werden, ob die Modulation der Aktivität von DNA-Reparatur-Systemen in hES-Zellen zu einer erhöhten genetischen Stabilität führt. Beide Vorgehensweisen können letztlich zur Entwicklung von verbesserten Kultivierungsprotokollen für hPS-Zellen beitragen. Die detaillierte Untersuchung erwarteter positiver Effekte, die Modulatoren von DNA-Reparatursystemen auf die genetische Stabilität von hES-Zellen ausüben, kann zudem zu neuen Erkenntnissen über die in hES-Zellen vorherrschenden DNA-Reparaturmechanismen führen.
Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen schließlich dazu genutzt werden, Protokolle für die Massenkultivierung von hES-Zellen in Bioreaktoren zu erstellen und zu optimieren. Das im Projekt angestrebte bessere Verständnis der Ursachen genetischer Veränderungen in hES-Zellen während deren Langzeitkultivierung sowie die angestrebte Entwicklung von Strategien zur Minimierung bzw. Verhinderung solcher genetischer Veränderungen ist Grundlage für die Etablierung entsprechender Protokolle. Große Mengen an hES-Zellen gleichmäßig hoher Qualität mit reproduzierbaren Eigenschaften werden sowohl für In-vitro-Anwendungen als auch für die künftig vorstellbare klinische Nutzung dieser Zellen benötigt. Die Frage nach der genetischen Stabilität ist bei der künftig angestrebten Verwendung von hPS-Zellen in der Gewebeersatztherapie insbesondere unter Aspekten der Patientensicherheit von erheblicher Relevanz. Zudem kann das Projekt auch dazu beitragen, Qualitätsstandards für die Langzeitkultivierung von hES-Zellen zu etablieren.
Durch die geplanten parallelen Untersuchungen an hES- und hiPS-Zellen können ferner Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob und inwieweit beide Typen pluripotenter Stammzellen des Menschen sich hinsichtlich der während ihrer Langzeitkultivierung auftretenden genetischen Veränderungen gleichen, welche Arten genetischer Veränderungen im jeweiligen Zelltyp bevorzugt auftreten und ob Strategien zur Minimierung bzw. Verhinderung genetischer Veränderungen in beiden Zelltypen zu gleichen Resultaten führen.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
Die Tatsache, dass das Genom von hES-Zellen während ihrer Langzeitkultivierung Veränderungen unterliegt, ist aus der Literatur hinlänglich bekannt. Spezifische Aspekte des Vorhabens sind an anderen Zellen vorgeklärt worden. Dies betrifft beispielsweise die Strategie zur Bestimmung der Frequenz des Auftretens lokal begrenzter genetischer Veränderungen, die an hämatopoetischen Stammzellen der Maus etabliert und optimiert wurde. Auch die Substanzen, die bezüglich eines möglichen positiven Effektes auf die Erhöhung der genetischen Stabilität von hES-Zellen zum Einsatz kommen sollen, sind in verschiedenen Zellmodellen bereits getestet worden.
Weitere Voruntersuchungen unter Nutzung anderer Zellen, beispielsweise zu den kultivierungsbedingten Ursachen für das Auftreten genetischer Veränderungen, würden voraussichtlich keinen für die grundsätzlichen Fragestellungen des Projektes relevanten Erkenntnisgewinn erbringen. hES-Zellen erfordern hochspezifische Kulturbedingungen, die sich von Kulturbedingungen beispielsweise für embryonale Stammzellen der Maus, aber auch für somatische Stammzellen des Menschen, deutlich unterscheiden. Zudem lassen sich aufgrund der spezifischen Mechanismen, die zur Aufrechterhaltung der genetischen Stabilität in verschiedenen Zelltypen genutzt werden, die Auswirkungen veränderter Kulturbedingungen auf die genetische Stabilität eines bestimmten Zelltyps nicht ohne weiteres auf hES-Zellen übertragen.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Ziel des Projektes ist ein besseres Verständnis der Ursachen genetischer Veränderungen in hES-Zellen, vor allem auch auf subchromosomaler Ebene. Dabei wird von der plausiblen Vermutung ausgegangen, dass bestimmte genetische Veränderungen in Langzeitkultur durch jeweils spezifische Kulturbedingungen ausgelöst und folglich durch Optimierung der Kulturbedingungen verhindert werden können. Die Kulturbedingungen für hES-Zellen unterscheiden sich jedoch grundlegend von jenen Bedingungen, unter denen ES-Zellen anderer Spezies oder somatische Stammzellen des Menschen bzw. von Tieren kultiviert werden. Folglich kann der Effekt der Optimierung der Kulturbedingungen für hES-Zellen mit dem Ziel, die Frequenz und das Ausmaß kultivierungsbedingter genetischer Veränderung zu vermindern, nur an hES-Zellen untersucht werden.
Lediglich hiPS-Zellen erfordern zu hES-Zellen identische Kulturbedingungen. Genetische Veränderungen von hiPS-Zellen infolge ihrer Kultivierung sind beobachtet und in der Literatur beschrieben worden, unterscheiden sich aber teilweise von an hES-Zellen beobachteten Veränderungen. Zudem ist derzeit nur unzureichend untersucht, in welchem Maße sich die an hiPS-Zellen festgestellten genetischen Veränderungen auf den Reprogrammierungsprozess, die sich anschließende klonale Selektion der hiPS-Zell-Linien oder auf ihre Langzeitkultivierung zurückführen lassen. Angesichts des derzeitigen Kenntnisstandes ist derzeit offen, inwieweit sich hES- und hiPS-Zellen bezüglich des Einflusses spezifischer Kulturbedingungen oder Faktoren auf ihre genetische Stabilität gleichen. Dies zu untersuchen, ist Gegenstand der geplanten Forschungsarbeiten und erfordert neben der Nutzung von hiPS-Zellen auch die Verwendung von hES-Zellen.
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