67. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
1. Genehmigungsinhaber(in)
Lonza Cologne GmbH, Köln
2. Zell-Linien
Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H7 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H13 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H14 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
Die Genehmigung gilt auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Die genehmigten Forschungsarbeiten unter Verwendung von hES-Zellen zielen auf die Etablierung von neuartigen, auf menschlichen Zellen basierenden Zellkultursystemen, die künftig für die Entwicklung und Testung von Arzneimittelwirkstoffen verwendet werden könnten. Das Forschungsvorhaben gliedert sich in drei Teile. In einem ersten Teilprojekt sollen beim Antragsteller etablierte zellbasierte Assays auf hES-Zellen übertragen und entsprechende genetisch stabil veränderte Zell-Linien gewonnen werden. Dies soll es ermöglichen, die zelltypspezifische Expression bestimmter Gene, die Produktion von kritischen Signalmolekülen sowie Wechselwirkungen von intrazellulären Proteinen in hES-Zellen und aus diesen differenzierten Zellen, beispielsweise in Reaktion auf einen Wirkstoff, jeweils im Hochdurchsatzverfahren einfach analysieren zu können. In einem zweiten Teilprojekt sollen Methoden für die Kultivierung von hES-Zellen in größeren als im Labor üblichen Maßstäben etabliert bzw. optimiert werden. Insbesondere sollen Kulturverfahren für hES-Zellen in Suspension sowie in Bioreaktoren sowie verbesserte, nach Möglichkeit definierte Kulturmedien mit dem Ziel entwickelt werden, hES-Zellen in großer Menge und standardisierter Qualität reproduzierbar verfügbar zu machen. Schließlich sollen in einem dritten Teilprojekt hES-Zellen, die mit der genetischen Information für zellbasierte Assays ausgestattet wurden, in verschiedene menschliche Zelltypen (neurale Zellen, Kardiomyozyten, Hepatozyten sowie bestimmte Zellen des Immunsystems) differenziert werden. Die differenzierten Zellen sollen umfassend in vitro charakterisiert und bezüglich ihrer Eignung für die Testung von Wirkstoffen im Hochdurchsatzverfahren untersucht werden. Alle Untersuchungen sollen im Vergleich zwischen hES- und humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) durchgeführt werden.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie der Erweiterung von Kenntnissen bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Derzeit beruhen zellbasierte In-vitro-Tests zur Identifizierung von neuen Wirkstoffen sowie zur Vorhersage möglicher toxischer Nebenwirkungen von Arzneimittelkandidaten vielfach auf primären tierischen Zellen, auf transformierten Zell-Linien oder auf Zellen, die genetisch so modifiziert wurden, dass sie lediglich für die jeweilige Fragestellung relevante humane Proteine oder Rezeptoren, häufig auf unphysiologischem Level, produzieren. Aufgrund der vielfach beobachteten Spezies-Spezifität der Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln ist die In-vitro-Verfügbarkeit humaner Zellen, die primären Zellen des Menschen möglichst gleichen, für derartige Tests von erheblicher Relevanz. Primäre humane Zellen stehen für die notwendigen Untersuchungen häufig nicht oder nur in limitiertem Umfang zur Verfügung und sind, aufgrund der Heterogenität der Spender, nicht in der benötigten gleichbleibenden Qualität erhältlich. Im Rahmen der genehmigten Forschungsarbeiten soll daher überprüft werden, ob sich unter Nutzung von hES-Zellen stabile Zell-Linien entwickeln lassen, die nach Differenzierung für In-vitro-Tests eingesetzt werden können, um pharmakologisch wirksame Substanzen zu identifizieren und zuverlässiger als bislang möglich zu prüfen.
Zentraler Gegenstand des Projektes ist es, durch die Übertragung zellbasierter Assays in hES-Zellen, durch Etablierung entsprechend stabiler Zell-Linien und durch gerichtete Differenzierung dieser Zellen Populationen menschlicher Zellen zu gewinnen, mit denen die Wirkung von neuen und bereits bekannten Wirkstoffen auf spezifische intrazelluläre Vorgänge einfach, effizient und im Hochdurchsatzverfahren bestimmt werden können. So soll die vorgesehene Expression der Gene für bestimmte Proteine in hES-Zellen (und folglich auch in aus diesen differenzierten Zellen) zur Bestimmung von Konzentrationsänderungen wesentlicher intrazellulärer Botenstoffe genutzt werden, die häufig unter dem Einfluß von Wirkstoffen auftreten. Durch Etablierung stabiler hES-Zell-Linien, die Komponenten bestimmter zellbasierter Assays enthalten, und Differenzierung dieser Linien in verschiedene Zelltypen sollen menschliche Zellen zur Verfügung stehen, in denen eine einfache Bestimmung von durch Wirkstoffe verursachten Protein-Protein-Wechselwirkungen möglich ist. Diese Zell-Linien (und aus ihnen differenzierte Zellen) könnten künftig zur Identifizierung neuer Wirkstoffe sowie zur Untersuchung ihrer Wirkung auf kritische Signalwege oder Protein-Protein-Wechselwirkungen genutzt werden. Die Identifizierung und Prüfung pharmakologisch wirksamer Substanzen könnte zudem unter den Bedingungen, die in menschlichen Zellen herrschen, durchgeführt und der Einfluss dieser Substanzen auf subzelluläre Strukturen, biochemische und Signalnetzwerke sowie auf Stoffwechselwege innerhalb der Zelle leichter und effizienter als bislang bestimmt werden. hES-Zell-Linien, die zellbasierte Assays enthalten, wären auch für die Grundlagenforschung von großem Wert, da unter Nutzung solcher Zell-Linien Fragen zur Beteiligung von Molekülen und Signalwegen an zellulären Prozessen, beispielsweise der Differenzierung oder der Regulation spezifischer Stoffwechselwege, untersucht werden könnten.
Die im Rahmen des genehmigten Projektes geplante Entwicklung von neuen Kulturverfahren für hES-Zellen ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von auf hES-Zellen basierenden In-vitro-Testsystemen, da hierfür hES-Zellen in großer Menge und reproduzierbar hoher Qualität benötigt werden. Die Erkenntnisse aus den genehmigten Untersuchungen zur Optimierung und zum scaling up der Kultivierung von hES-Zellen könnten zudem auch für künftig vorstellbare klinische Anwendungen dieser Zellen bedeutsam sein, für die voraussichtlich ebenfalls größere Zellmengen benötigt werden.
Im Ergebnis der geplanten Untersuchungen zur Differenzierung von hES-Zellen in verschiedene menschliche Zelltypen sollenKardiomyozyten und neurale Zellen verfügbar sein, die den entsprechenden primären Zellen des Menschen hinsichtlich ihres Genexpressionsprofils und ihrer strukturellen, elektrophysiologischen und pharmakologischen Eigenschaften gleichen und daher für die Entwicklung und Testung von Arzneimittelwirkstoffen einsetzbar sind. Ferner sollen Hepatozyten-ähnliche Zellen in reproduzierbar hoher Qualität gewonnen werden, die wesentliche Stoffwechselfunktionen reifer menschlicher Hepatozyten aufweisen und folglich zur Generierung von aussagefähigen Daten über die Umsetzung von Arzneimitteln und zu deren möglicher Toxizität in der Leber genutzt werden könnten. Die Differenzierung der mit zellbasierten Assays versehenen hES-Zellen in diese und andere für die pharmakologische Forschung relevante Zelltypen ist Voraussetzung für die Klärung der Frage, ob sich aus den mit zellbasierten Assays versehenen hES-Zellen reife und funktionsfähige menschliche Zellen gewinnen lassen, ob die zellbasierten Assays in den aus hES-Zellen differenzierten Zellen relevante Aussagen zu Effekten von Wirkstoffen auf spezifische menschliche Zellen liefern können (proof of concept) und ob sich diese Tests im Hochdurchsatzverfahren durchführen lassen. Dies sind unerläßliche Voraussetzungen für die im Forschungsvorhaben angestrebte Entwicklung verbesserter, humanspezifischer zellulärer In-vitro-Testsysteme, die eine effiziente Identifizierung von Wirkstoffen ermöglichen und eine bessere Abschätzung von für den Menschen spezifischen Arzneimittelrisiken als bislang bereits in frühen Phasen der Arzneimittelentwicklung erlauben könnten.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
Im Antragsverfahren wurden umfangreiche Darlegungen dazu erbracht, dass die geplanten Arbeiten zur Etablierung zellbasierter Assays bereits in anderen Zellsystemen, die teils menschlichen Ursprungs sind, vorgeklärt worden sind. Es wurde dargelegt, dass Ansätze zur Kultivierung von hES-Zellen in größeren als üblichen Labormaßstäben, einschließlich der Kultivierung in kleinen Bioreaktoren, bereits in der wissenschaftlichen Literatur publiziert worden sind. Experimentelle Vorgehensweisen zur Differenzierung von hES-Zellen in Bioreaktoren sind ebenfalls bereits bekannt.
Protokolle für die Differenzierung humaner ES-Zellen in Kardiomyozyten, neuronale Zellen, Hepatozyten sowie bestimmte Zellen des Immunsystems wurden bereits in der Vergangenheit etabliert und publiziert. Weitere im beantragten Forschungsprojekt zur Anwendung kommende Methoden und Vorgehensweisen, beispielsweise der Transfer von genetischem Material in hES-Zellen oder die Charakterisierung der aus hES-Zellen differenzierten Zellen, sind aus der Literatur hinlänglich bekannt.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Das Forschungsvorhaben dient der Entwicklung neuartiger In-vitro-Testsysteme zur Analyse von Wirkmechanismen sowie zur Überprüfung potentieller toxischer Effekte von Arzneimittelkandidaten in menschlichen Zellen. Es ist gerade Ziel des Forschungsvorhabens, derzeit existierende und häufig auf (primären) tierischen Zellen beruhende In-vitro-Testsysteme durch humanspezifische Zellsysteme ergänzen oder ersetzen zu können, um für menschliche Zellen relevante Aussagen treffen zu können und so zur Lösung des Problems möglicher Speziesunterschiede in der Arzneimittelwirkung beizutragen. Dies erfordert die Nutzung humaner Zellen.
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass andere menschliche Zellen für das Erreichen der formulierten Forschungsziele nicht bzw. nicht in gleicher Weise wie humane embryonale Stammzellen geeignet sind. Primäre Zellen des Menschen sind zwar für bestimmte In-vitro-Tests in der Pharmakologie/Toxikologie einsetzbar. Allerdings besteht hier das Problem der äußerst limitierten Verfügbarkeit, der teils geringen Vermehrbarkeit in vitro, der stark schwankenden Qualität der Zellen sowie der erheblichen Heterogenität in den Eigenschaften verschiedener Zell-Präparationen aufgrund individueller Besonderheiten der Spender. Zudem sind primäre Zellen teils nicht den für die Projektdurchführung notwendigen genetischen Modifikationen zugänglich und können derzeit nicht als stabile Zell-Linien etabliert werden, ohne dass wesentliche funktionelle Eigenschaften verloren gehen.
Adulte Stammzellen, beispielsweise des Herzens, der Leber sowie des Nervensystems des Menschen, sind nicht oder nicht in ausreichenden Mengen isolierbar, sind teilweise nicht in vitro expandierbar, können genetisch teils nicht stabil modifiziert werden und besitzen außerdem ein teilweise nur eingeschränktes Differenzierungsvermögen. Zudem sind sie nicht in großen Mengen und in ausreichend reproduzierbarerer Qualität verfügbar. Die Isolierung von Immunzellen bzw. deren Vorläufern aus dem peripheren Blut ist zwar unkompliziert möglich, jedoch besteht auch hier das Problem, dass die für die Projektdurchführung notwendige Etablierung von genetisch stabil veränderten Zell-Klonen und deren Kultivierung über lange Zeiträume nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht möglich sind.
Bestimmte humane Vorläuferzelltypen lassen sich auch teilweise aus Föten gewinnen und sind in vitro kultivierbar. Primäre Zellen aus fötalem Gewebe sind jedoch nur limitiert erhältlich, und Zellpräparationen mit reproduzierbaren Eigenschaften und identischer Qualität stehen aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsgrads der Föten sowie deren nur sporadischer Verfügbarkeit i. allg. nicht zur Verfügung.
Der im Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn kann derzeit auch nicht unter alleiniger Nutzung von hiPS-Zellen erzielt werden. Vielmehr soll die mögliche Eignung von hiPS-Zellen für die Etablierung entsprechender In-vitro-Testsysteme im Rahmen des beantragten Forschungsprojektes erst untersucht werden, wobei die Kultivierungs- und Differenzierungsprotokolle von hES-Zellen auf hiPS-Zellen übertragen und im Vergleich mit hES-Zellen evaluiert werden sollen.
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