61. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 04.02.2011. Genehmigung erweitert am 31.07.2012 und 24.03.2015 (siehe 2.). Forschungsvorhaben beendet. Genehmigung erloschen am 31.12.2017.
1. Genehmigungsinhaber(in)
Herr PD Dr. rer. med. Alexander Kleger, Universitätsklinikum Ulm
2. Zell-Linien
Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HES-2 (ES Cell International Pte Ltd., Singapur)
- HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES4 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 31.07.2012 und 24.03.2015 wurden zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen der folgenden weiteren Linien genehmigt:
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HES-3 (ES Cell International Pte Ltd., Singapur)
- MEL-1 (Stem Cells Ltd, Brisbane, Australien)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Inhalt des genehmigten Forschungsvorhabens ist die Entwicklung, Optimierung und Validierung einer neuartigen Vorgehensweise für die kardiale Differenzierung von humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen). Diese Vorgehensweise beruht auf der Modulation der Aktivität Kalzium-aktivierbarer Kaliumkanäle (SK-Kanäle). Die Aktivierung dieser Kanäle führte in Mauszellen zu einer erheblichen Stimulierung der kardialen Differenzierung, insbesondere zur Entstehung von Schrittmacherzellen. Dieser Ansatz soll nun auf hES-Zellen übertragen und für diese optimiert werden. Aus hES-Zellen durch Aktivierung von SK-Kanälen differenzierte kardiale Zellen sollen umfassend charakterisiert werden, unter anderem bezüglich des Anteils spezifischer kardialer Subpopulationen an den differenzierten Zellen. Dazu sollen das Transkriptom der Zellen analysiert, die Präsenz von für bestimmte kardiale Zellen typischen Proteinen bestimmt sowie die elektrophysiologischen Eigenschaften der differenzierten Zellen umfassend untersucht werden. Ferner soll der Beitrag spezifischer Isoformen der SK-Kanäle zur kardialen Differenzierung von hES-Zellen bestimmt und die Beteiligung intrazellulärer Signalwege an der Differenzierung zu Schrittmacherzellen aufgeklärt werden. Parallel zu den Arbeiten an hES-Zellen sind entsprechende Untersuchungen an humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) geplant, für die hES-Zellen jeweils auch zu Vergleichszwecken verwendet werden sollen.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Das Forschungsvorhaben zielt auf die Etablierung einer neuartigen Methode zur gerichteten Differenzierung menschlicher Zellen zu Schrittmacherzellen des Herzens. Bisherige Protokolle für die Differenzierung humaner pluripotenter Stammzellen in kardiale Zellen sind wenig effektiv und bringen vor allem ventrikuläre und atriale Kardiomyozyten hervor, jedoch nur geringe Mengen an Schrittmacherzellen. Im Forschungsvorhaben soll die Differenzierung von hES-Zellen in kardiale Schrittmacherzellen durch die Aktivierung von SK-Kanälen induziert und auf diese Weise ein neues Differenzierungsprotokoll für die Gewinnung dieses bislang schwer zugänglichen Zelltyps etabliert werden. Die entstandenen Zellpopulationen sollen umfassend charakterisiert, die an der kardialen Differenzierung beteiligten Kanäle identifiziert und Signalwege identifiziert werden, die bei der durch Aktivierung von SK-Kanälen induzierten kardialen Differenzierung beteiligt sind. Diese Untersuchungen sollen Aufschluss darüber erbringen, ob und inwieweit SK-Kanäle an der Herzdifferenzierung des Menschen beteiligt sind, welche Isoformen der SK-Kanal-Proteine hierbei eine Rolle spielen und welche intrazellulären Signalwege in den Differenzierungsprozess involviert sind. Diese Erkenntnisse können ggf. auch Rückschlüsse auf Vorgänge bei der Entwicklung des menschlichen Herzens während der Embryonalentwicklung zulassen.
Die geringe Reproduzierbarkeit und hohe Variabilität bei der Differenzierung kardialer Zellen aus humanen pluripotenten Stammzellen ist ein wesentliches Problem derzeitiger Bemühungen, kardiale Zellen in hoher Reinheit und gleichbleibender Qualität bereitzustellen, wie sie beispielsweise für sicherheitspharmakologische Untersuchungen benötigt werden. Es ist daher vorgesehen, das hier für humane pluripotente Stammzellen angestrebte Differenzierungsprotokoll nach Möglichkeit zu standardisieren, so dass die Differenzierung zu kardialen (Schrittmacher)Zellen möglichst reproduzierbar gestaltet werden kann. Das Protokoll bietet dabei den Vorteil, dass zur Gewinnung reiner Populationen kardialer Zellen keine genetischen Veränderungen an den pluripotenten Zellen vorgenommen werden müssen, wie sie bislang zur Ableitung kardialer Zellpopulationen hoher Reinheit aus hES-Zellen erforderlich sind. Im Ergebnis des Vorhabens könnte folglich ein Verfahren zur Gewinnung hochangereicherter Populationen nativer humaner Schrittmacherzellen zur Verfügung stehen. Dieses könnte dann beispielsweise Studien zur (Entwicklungs)Physiologie von humanen Schrittmacherzellen ermöglichen, wofür bislang kein geeignetes Modell zur Verfügung steht. Zudem könnten nach diesem Verfahren gewonnene Zellen auch für pharmako-toxikologische Untersuchungen, beispielsweise bei der Bestimmung von kardialen Arzneimittelnebenwirkungen, von erheblicher Relevanz sein. Schließlich könnten auch Erkrankungen des Menschen, in die das Schrittmachersystem involviert ist, mit Hilfe solcher humaner Zellmodelle besser verstanden werden.
Im Forschungsvorhaben sollen, parallel zu hES-Zellen, auch induzierte pluripotente Stammzellen (hiPS-Zellen) hinsichtlich der Präsenz von SK-Kanälen sowie deren Rolle bei der Auslösung von Differenzierungsprozessen untersucht werden. Dazu sollen vorrangig aus Keratinozyten gewonnene hiPS-Zellen genutzt werden. Aus vergleichenden Untersuchungen an hiPS- und hES-Zellen sollen Rückschlüsse darauf gezogen werden, inwiefern aus Keratinozyten gewonnene hiPS-Zellen ein zu hES-Zellen vergleichbares Differenzierungspotential aufweisen. Dies ist auch im Hinblick auf die Ergebnisse aus jüngeren Studien über ein mutmaßliches epigenetisches Gedächtnis von hiPS-Zellen von Relevanz. Außerdem könnten die geplanten Untersuchungen an hiPS-Zellen zur Klärung der Fragestellung beitragen, ob sich aus diesen Zellen potentiell kardiale Zellen mit Eigenschaften von Schrittmacherzellen gewinnen lassen.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
Die wissenschaftlichen Fragestellungen des Forschungsvorhabens sind bereits in murinen ES-Zellen untersucht und die Ergebnisse publiziert worden. Dies betrifft vor allem die gerichtete Differenzierung von murinen embryonalen Stammzellen (mES-Zellen) in Schrittmacherzellen, die hinsichtlich ihrer Genexpression, der Präsenz von für Schrittmacherzellen typischen Proteinen und ihrer Funktionalität umfassend charakterisiert worden sind. Desweiteren wurden Experimente durchgeführt, in denen Hinweise auf die Funktion eines bestimmten Signalweges sowie auf die spezifische Funktion einzelner SK-Kanäle bei der Differenzierung zu Schrittmacherzellen gewonnen wurden. Die in mES-Zellen etablierte Vorgehensweise wurde bereits erfolgreich auf iPS-Zellen der Maus übertragen und soll nun, in konsequenter Fortsetzung bisheriger Arbeiten des Genehmigungsinhabers, auf hES-Zellen angewandt werden.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Gegenstand der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Untersuchung der Fragestellung, ob die an mES-Zellen etablierten Vorgehensweisen zur Gewinnung kardialer Schrittmacherzellen auf das humane System übertragen werden können. Dies erfordert die experimentelle Abklärung an menschlichen Zellen. ES-Zellen aus Maus und Mensch zeigen bereits unterschiedliche Expressionsmuster hinsichtlich bestimmter Isoformen der SK-Kanäle. Ferner ist das Zeitfenster, in der die Aktivierung der SK-Kanäle für eine effiziente Differenzierung von ES-Zellen der Maus erfolgen muss, sehr eng. Dies weist darauf hin, dass die Regulation der SK-Kanal-Aktivität während der Differenzierung zu Schrittmacherzellen sehr stringent erfolgt, was mit speziesspezifischen Besonderheiten verbunden sein kann.
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass andere humane Stammzellen sich nicht für die Erreichung der formulierten Forschungsziele eignen. Adulte Stammzellen (z.B. aus dem Knochenmark) besitzen kein kardiales Differenzierungsvermögen. Kardiale Vorläuferzellen aus dem menschlichen Herzen sind zwar bekannt, wurden aber bislang nicht stabil in Kultur gehalten und zu Zellmengen vermehrt, wie sie für die vorgesehenen Forschungsarbeiten benötigt werden. Zudem sind all diese Zellen bereits determiniert bzw. spezifiziert, so dass offen ist, ob und inwiefern sie noch einer SK-Kanal-vermittelten Differenzierung, wie sie im genehmigten Forschungsvorhaben angestrebt wird, zugänglich sind.
hiPS-Zellen können ebenfalls nicht zur Erreichung der formulierten Forschungsziele verwendet werden. Sie sollen im vorliegenden Projekt erst hinsichtlich ihrer Fähigkeit untersucht werden, durch Modulation der SK-Kanal-Aktivität in kardiale Schrittmacherzellen zu differenzieren. Die Frage, ob sie dabei zu hES-Zellen vergleichbare Eigenschaften aufweisen, ist derzeit offen.
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