58. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 30.11.2010. Forschungsvorhaben beendet. Genehmigung erloschen am 31.05.2016.
1. Genehmigungsinhaber(in)
Herr Professor Dr. Dr. Bernd Fischer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
2. Zell-Linien
Die genehmigten Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linien:
- H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
- HS181 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
- HS401 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
- HS415 (Karolinska-Institut, Stockholm, Schweden)
- HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES6 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
- HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
Die Genehmigung gilt auch für die Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linien.
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Zentraler Inhalt der genehmigten Forschungsarbeiten ist die Klärung der Fragestellung, ob und inwieweit sich die Wirkungen obesogener Substanzen in einem auf hES-Zellen basierenden Modell für die adipogene Differenzierung in vitro rekapitulieren lassen. Dazu sollen hES-Zellen auf der Grundlage bereits publizierter und optimierter Protokolle zu Adipozyten differenziert werden. Zu verschiedenen Zeitpunkten der Differenzierung sollen die Zellen dabei hohen Konzentrationen an Glukose sowie bekannten bzw. mutmaßlichen obesogenen Substanzen ausgesetzt und die Effekte auf die sich differenzierenden Zellen untersucht werden, beispielsweise hinsichtlich vermuteter Veränderungen im Epigenom, im Genexpressionsprofil oder im Triglyzerid-Stoffwechsel. Ferner ist geplant, FACS-basierte Strategien für die Sortierung von Adipozyten bzw. deren Vorläuferzellen zu entwickeln, um möglichst reine Populationen der jeweiligen Zellen bezüglich der oben genannten Eigenschaften analysieren zu können.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie der Erweiterung von Kenntnissen bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung beim Menschen. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Derzeit sind die Mechanismen der obesogenen Wirkung bestimmter weit verbreiteter Chemikalien, wie beispielsweise Bisphenol A (BPA) oder Diethylhexylphtalat (DEHP), nicht bekannt. Die derzeitigen Erkenntnisse über die mögliche obesogene Wirkung dieser Substanzen beruhen vor allem auf Ergebnissen aus Tierversuchen, die jedoch teils verschieden und widersprüchlich sind. Dies hat seine Ursache in uneinheitlichen Studienprotokollen, in der Nutzung verschiedener Tiermodelle sowie in der Tatsache, dass die Metabolisierung und Bioverfügbarkeit bestimmter obesogener Substanzen in verschiedenen Spezies unterschiedlich sind.
Das Ziel des Forschungsvorhabens besteht in der Aufklärung von Mechanismen, durch die obesogen wirksame Substanzen im Menschen die Fettzelldifferenzierung beeinflussen und auf diesem Wege Stoffwechselstörungen, wie z.B. Adipositas, auslösen oder befördern können. Schwerpunkt ist es dabei, sich aus hES-Zellen differenzierende Zellen in verschiedenen Stadien der Differenzierung, angefangen bei der Determinierung embryonaler Stammzellen bis hin zur Reifung von Adipozyten, der Wirkung obesogener Substanzen auszusetzen und zu analysieren, welche Effekte diese Substanzen auf sich entwickelnde Fettzellen haben. Durch die geplanten Untersuchungen sollen Erkenntnisse über Signalwege gewonnen werden, über die obesogene Substanzen auf sich entwickelnde Fettzellen wirken, beispielsweise durch Induktion epigenetischer Veränderungen oder durch die Beeinflussung der Expression bestimmter Gene, deren Produkte im Fettstoffwechsel eine Rolle spielen. Diese Untersuchungen können ferner zu neuen Erkenntnissen über die Prozesse führen, die bei der adipogenen Differenzierung im Menschen ablaufen.
Die im Projekt geplanten Untersuchungen könnten zudem dazu beitragen, die Grundlagen für neue In-vitro-Testsysteme zu schaffen, die der Überprüfung von Substanzen im Vorfeld ihres Inverkehrbringens auf eine mögliche obesogene Wirkung dienen können. Die aus dem Projekt erwarteten Ergebnisse könnten in diesem Zusammenhang Endpunkte für die Bestimmung der obesogenen Wirkung, beispielsweise auf der Ebene von mRNAs oder Proteinen, erbringen. Ferner könnten die Untersuchungen ein Verständnis dafür schaffen helfen, in welchen Phasen der adipogenen Differenzierung eine besonders hohe Sensitivität der sich differenzierenden Zellen gegenüber obesogenen Substanzen besteht. Schließlich können im Ergebnis der im Vorhaben vorgesehenen Optimierung der Differenzierungsprotokolle für die Gewinnung von Fettzellen aus Stammzellen verbesserte und reproduzierbare Methoden für die Fettzelldifferenzierung zur Verfügung stehen, wie sie in derartigen In-vitro-Systemen benötigt werden.
Aus den Ergebnissen des Projektes können ggf. auch Schlussfolgerungen darüber gezogen werden, welche Konsequenzen eine Exposition gegenüber obesogenen Substanzen, die beispielsweise mit der Nahrung aufgenommen werden, für die Fettzellentwicklung im Fötus haben könnte und ob dies ggf. im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Prädisposition für sich später manifestierende Stoffwechselerkrankungen stehen kann. Insofern könnten sich aus dem Projekt Erkenntnisse über maternale obesogene Faktoren ergeben, die ggf. von Relevanz für den Gesundheitsschutz des vorgeburtlichen Lebens sein können.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
Derzeit existieren zahlreiche publizierte tierexperimentelle Studien, in denen die obesogene Wirkung bestimmter weit verbreiteter Chemikalien (z.B. DEHP und BPA) auf den sich entwickelnden Fötus gezeigt werden konnte. I. allg. führte die Exposition gegenüber den Chemikalien zu einer deutlichen Erhöhung des Körpergewichtes sowie der Fettmasse in der Nachkommenschaft. Die Wirkung obesogener Substanzen wurde zudem auch in verschiedenen In-vitro-Zellkultur-Modellen unter Verwendung tierischer Zell-Linien untersucht, wobei ein Einfluss auf wesentliche Komponenten des Fettsäurestoffwechsels nachgewiesen werden konnte, beispielsweise auf der Ebene der mRNA. An diese Ergebnisse anschließend soll im genehmigten Forschungsprojekt geklärt werden, welche Wirkungen obesogene Substanzen auf sich differenzierende menschliche Fettzellen haben.
Protokolle für die adipogene Differenzierung muriner ES-Zellen sind in der Vergangenheit publiziert worden. Die Vorgehensweisen für die geplante adipogene Differenzierung basieren allerdings auf bereits für hES-Zellen publizierten Protokollen. Die Methodik für die geplante FACS-basierte Anreicherung von Adipozyten aus den differenzierten Zellpopulationen wurde vom Genehmigungsinhaber unter Verwendung von aus murinen ES-Zellen differenzierten Fettzellen selbst entwickelt und soll nun auf hES-Zellen übertragen werden. Weitere im Projekt zum Einsatz kommende Methoden und Vorgehensweisen, beispielsweise zur Charakterisierung von Adipozyten bezüglich biochemischer, physiologischer und molekularbiologischer Eigenschaften, sind etabliert.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Ergebnisse aus Studien zur Wirkung obesogener Stoffe sind vermutlich nicht von der Maus auf den Menschen übertragbar. Dies ist in erheblichen Unterschieden in der Biologie der Adipozyten von Maus und Mensch begründet, die im Antragsverfahren umfänglich dargelegt wurden. Ähnliche Unterschiede sind auch zu anderen Spezies zu erwarten, so dass zur Klärung der hier interessierenden Fragenstellung humane Zellen benötigt werden.
Ferner besteht das Ziel des Projektes in der Klärung der Frage, in welchen Phasen der Fettzellentwicklung die Exposition gegenüber obesogenen Substanzen einen Effekt auf sich differenzierende Adipozyten hat. So könnte bereits eine Exposition in sehr frühen Stadien der Embryonalentwicklung die Determinierung der embryonalen Zellen beeinflussen, beispielsweise durch eine spezifische Modulation des Epigenoms. Derartige Effekte lassen sich jedoch nicht an Stammzellen untersuchen, die bereits determiniert sind, wie beispielsweise mesenchymale Stammzellen. Die Untersuchungen erfordern vielmehr die Nutzung humaner embryonaler Stammzellen, die noch keine Determinierung erfahren haben.
Auch die Nutzung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen (hiPS-Zellen) ist derzeit für die Erreichung der formulierten Forschungsziele nicht möglich. Zum einen liegen nur wenige Erkenntnisse über die adipogene Differenzierbarkeit von hiPS-Zellen vor. Zum anderen werden in jüngster Zeit verstärkt Hinweise auf unterschiedliche Differenzierungspotentiale im Vergleich zu hES-Zellen sowie Unterschiede in der Pluripotenz verschiedener hiPS-Zell-Linien diskutiert, deren Ursachen nur unzureichend geklärt sind. Momentan werden hES-Zellen als das am besten geeignete Zell-Modell zur In-vitro-Untersuchung von Prozessen der menschlichen Embryonalentwicklung und Adipogenese angesehen. Ob hiPS-Zellen ein gleichermaßen geeignetes Modell für die menschliche Embryonalentwicklung darstellen, ist derzeit offen.
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