50. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz
Erteilt am 13. 01. 2010. Forschungsvorhaben beendet. Genehmigung erloschen am 30.06.2016.
1. Genehmigungsinhaber(in)
Universität Freiburg, Bioss - Zentrum für Biologische Signalstudien
2. Zell-Linie(n)
Die vorgesehenen Forschungsarbeiten erfolgen unter Verwendung der folgenden humanen embryonalen Stammzell-Linie:
- H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie(n).
3. Angaben zum Forschungsvorhaben
Gegenstand des genehmigten Vorhabens ist die Untersuchung der Fragestellung, wie sich die Wechselwirkungen bestimmter Kernproteine mit der chromosomalen DNA und damit die Eigenschaften des Chromatins im Verlaufe der Reprogrammierung somatischer Zellen des Menschen zu humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS-Zellen) verändern. In diesem Zusammenhang soll auch untersucht werden, ob und wann in hiPS-Zellen ein Zustand der Dynamik des Chromatins erreicht wird, wie er in originären humanen pluripotenten Stammzellen herrscht, also in humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen). Zu diesem Zweck sollen in hES-Zellen Fusionsprodukte zwischen dem Gen für das grün fluoreszierende Protein (gfp) und Genen für verschiedene Chromatin-bindende Proteine zur Expression gebracht und mittels einer spezifischen Methodik (FRAP: fluorescent recovery after photobleaching) die Dynamik der Diffusion und Bindung (Mobilität) von GFP-markierten Proteine im Chromatin bestimmt werden. Im Ergebnis sollen Daten über das Ausmaß der Mobilität von mit Chromatin assoziierten Proteinen in hiPS-Zellen und hES-Zellen vorliegen. Humane Fibroblasten sollen dann mit verschiedenen Methoden reprogrammiert und die dynamischen Veränderungen des Chromatins während und im Ergebnis der Reprogrammierung im Vergleich mit hES-Zellen bestimmt werden.
4. Hochrangigkeit der Forschungsziele
Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:
Veränderungen in der Genaktiviät, beispielsweise infolge von Differenzierung, sind mit Änderungen in der strukturellen Organisation des Chromatins verbunden. So unterliegt das Chromatin muriner embryonaler Stammzellen (mES-Zellen) während ihrer Differenzierung weitreichenden Umgestaltungen. Es befindet sich zunächst in einem „hyperdynamischen“ Zustand, der sich im Laufe der Differenzierung fortschreitend verändert, was durch Wechselwirkung der chromosomalen DNA mit Proteinen bedingt wird, die die Struktur und Dynamik des Chromatins aktiv beeinflussen.
Im genehmigten Vorhaben ist nun eine Untersuchung jener Prozesse vorgesehen, die bei der Reprogrammierung humaner somatischer Zellen auf der Ebene der Organisation des Chromatins ablaufen. Insbesondere soll geklärt werden, inwieweit Veränderungen in der Mobilität Chromatin-assoziierter Proteine quantifizierbar sind und ob dies ein Maß für den Grad der Reprogrammierung humaner Zellen darstellt. Für die Klärung dieser Fragestellung werden hES-Zellen benötigt, deren Chromatindynamik bestimmt und als Standard für die geplanten Untersuchungen an reprogrammierten Zellen genutzt werden soll. Es ist zudem vorgesehen, gezielt bestimmte Signalwege zu beeinflussen, die mit der Reprogrammierung von somatischen Zellen in iPS-Zellen in Zusammenhang stehen. Dadurch sowie durch die Wahl verschiedener Methoden für die Reprogrammierung somatischer Zellen sollen Erkenntnisse darüber erlangt werden, ob und inwieweit das für die Reprogrammierung gewählte Vorgehen zu einer unterschiedlichen Mobilität bestimmter mit Chromatin assoziierter Proteine in pluripotenten Zellen führen kann. Aus den Untersuchungen sind neue Erkenntnisse über molekulare Vorgänge bei der Reprogrammierung humaner Zellen zu erwarten. Die Ergebnisse können voraussichtlich auch die Erkenntnisse über die molekularen Grundlagen von Pluripotenz erweitern helfen.
Zudem gibt es derzeit keine publizierten Untersuchungen zur Frage, ob das Chromatin humaner embryonaler Stammzellen – ähnlich wie es in mES-Zellen der Fall ist – strukturelle und dynamische Besonderheiten aufweist. Ungeklärt ist auch, ob und inwieweit dynamische Veränderungen des Chromatins von hES-Zellen zur Aufrechterhaltung des pluripotenten Zustands dieser Zellen beitragen. Durch die geplanten Untersuchungen zur Dynamik der Bindung wichtiger Chromatin-assoziierter Proteine, d. h. durch die Bestimmung ihrer Mobilität im Chromatin, können sich aus den genehmigten Forschungsarbeiten voraussichtlich auch neue Erkenntnisse über hES-Zellen selbst ergeben, insbesondere darüber, ob auch diese Zellen spezifische Charakteristika hinsichtlich der Dynamik und Mobilität bestimmter Chromatin-assoziierter Proteine aufweisen.
5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen
Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten vorgeklärt und die Nutzung humaner ES-Zellen gerechtfertigt ist.
In der Vergangenheit wurden Untersuchungen zu dynamischen Prozessen im Chromatin verschiedener somatischer Zelltypen und Zell-Linien durchgeführt und publiziert. Der Einfluss dieser Prozesse auf die Aufrechterhaltung von Pluripotenz und Differenzierung von pluripotenten Zellen wurde bereits an mES-Zellen untersucht. Im Ergebnis liegen deutliche Hinweise darauf vor, dass die Präsenz einer hyperdynamischen, d. h. nicht oder nur schwach gebundenen Fraktion von Chromatinproteinen eine charakteristische Eigenschaft pluripotenter Stammzellen ist und dass die Mobilität bestimmter Chromatinproteine (z.B. HP1) mit dem Einsetzen der Differenzierung abnimmt.
Die Reprogrammierung von somatischen Zellen geht mit erheblichen epigenetischen Veränderungen einher. Es ist plausibel, anzunehmen, dass für Differenzierungsprozesse typische Veränderungen in der Struktur des Chromatins, z.B. in der Mobilität von Chromatinproteinen, im Zuge der Reprogrammierung rückgängig gemacht werden und im Ergebnis in iPS-Zellen eine für pluripotente Stammzellen charakteristische Chromatinstruktur vorliegt. Dies ist bislang nicht experimentell überprüft worden. Da verschiedene Spezies jedoch teils erhebliche Unterschiede in den molekularen Grundlagen von Pluripotenz aufweisen, würden Vorversuche, bei denen die wissenschaftliche Fragestellung des Vorhabens unter Nutzung pluripotenter Zellen anderer Spezies untersucht würde, voraussichtlich nicht zu einem für die Fragestellung des geplanten wissenschaftlichen Vorhabens relevanten Erkenntnisgewinn beitragen können.
Im Antragsverfahren wurde ferner dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.
Ziel des Vorhabens ist es, Erkenntnisse über Veränderungen in der Mobilität von Chromatinproteinen im Zuge der Reprogrammierung humaner somatischer Zellen zu gewinnen. Im Ergebnis sollen auch Aussagen darüber getroffen werden können, ob und inwieweit der Zustand des Chromatins von (im Vorhaben aus somatischen Zellen gewonnenen) hiPS-Zellen demjenigen von originären pluripotenten Zellen, also hES-Zellen, gleicht oder sich von diesem unterscheidet. Dazu sind humane embryonale Stammzellen zu Vergleichszwecken erforderlich.
Ein Vergleich mit embryonalen Stammzellen anderer Spezies wäre nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob die Chromatin-Dynamik von hiPS-Zellen derjenigen von hES-Zellen entspricht. Zwar wurde ein Zusammenhang zwischen der Mobilität des Chromatins und dem Vorliegen von Pluripotenz für murine ES-Zellen beschrieben. Da sich murine von humanen ES-Zellen hinsichtlich der molekularen Mechanismen für zelluläre Pluripotenz unterscheiden und nicht bekannt ist, ob sie hinsichtlich der Konfiguration und Dynamik des Chromatins identisch sind, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die an murinen ES-Zellen gewonnenen Ergebnisse zur Dynamik des Chromatins ohne eigenständige Untersuchung an menschlichen Zellen auf humane pluripotente Zellen übertragen werden können.
Die denkbare alternative Verwendung anderer humaner Zellen wie adulter oder fötaler Stammzellen ist zur Erreichung der formulierten Forschungsziele ebenfalls nicht möglich, da diese Zellen nicht alle für pluripotente Zellen typischen Eigenschaften aufweisen und es daher nicht möglich ist, die für pluripotente humane Zellen charakteristischen Eigenschaften des Chromatins unter Verwendung solcher Zellen zu klären. Die hier angestrebten Erkenntnisse über hES- und hiPS-Zellen können folglich nur unter Verwendung von hES-Zellen gewonnen werden.
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