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31. Genehmigung nach dem Stammzellgesetz

Erteilt am 30.04.2008. Genehmigung erweitert am 02.04.2009 (siehe 2.) Registereintrag zuletzt aktualisiert am 15.05.2009.

1. Genehmigungsinhaber(in)

Herr Professor Dr. Jürgen Hescheler, Institut für Neurophysiologie, Universität Köln

2. Zell-Linien

Die vorgesehenen Forschungsarbeiten basieren auf humanen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) der folgenden Linien:

  • H1 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H9 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • H13 (Wicell Research Institute, Madison, WI, USA)
  • HES-1 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)
  • HES-2 (ES Cell International Pte Ltd, Singapur)

Im Rahmen der Erweiterung der Genehmigung vom 02.04.2009 wurden zur Durchführung der unten benannten Forschungsarbeiten die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen folgender weiterer Linien genehmigt:

  • HS181 (Karolinska-Institute, Stockholm, Schweden)
  • HUES1 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES2 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES4 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES8 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)
  • HUES10 (Harvard University, Cambridge, MA, USA)

Die Genehmigung gilt jeweils auch für die Einfuhr und Verwendung von Sub-Linien (z.B. von klonalen Sub-Linien oder genetisch modifizierten Derivaten) der genannten humanen embryonalen Stammzell-Linie(n).

3. Angaben zum Forschungsvorhaben

Die Verwendung der o. g. hES-Zellen wurde für ein Projekt genehmigt, in dem zum einen die Auswirkungen verschiedener Noxen auf sich differenzierende hES-Zellen untersucht und zum anderen hES-Zellen zu metabolisch aktiven Leberzellen (Hepatozyten) differenziert werden sollen. Das Projekt, das teilweise im Rahmen des von der Europäischen Gemeinschaft geförderten Projektes ESNATS durchgeführt werden soll, gliedert sich in zwei Teile:

Im ersten Projektteil sollen hES-Zellen und sich aus ihnen innerhalb von embryoid bodies (EBs) differenzierende Zellen verschiedenen Noxen mit bekannten entwicklungsschädigenden Wirkungen ausgesetzt und die molekularen Veränderungen infolge der Einwirkung dieser Noxen untersucht werden. Dabei sollen Unterschiede im Genexpressionsmuster von Zellen mittels Analysen auf RNA- und Proteinebene erfasst werden, die auf die Einwirkung einer spezifischen Noxe zurückzuführen sind. Auf dieser Grundlage sollen dann sog. Toxizitäts-Signaturen für spezifische Noxen bzw. Klassen von Noxen erstellt werden. Die Identifizierung dieser Signaturen soll differenzierungs-, zeit- und dosisabhängig erfolgen, und die Wirkungen identischer Noxen auf sich differenzierende humane und murine ES-Zellen sollen verglichen werden.

Im zweiten Projektteil sollen hES-Zellen zu Zellen differenziert werden, die möglichst weitgehend eine mit reifen menschlichen Hepatozyten vergleichbare metabolische Aktivität aufweisen. Dazu soll ein bereits im Mausmodell erfolgreich angewandtes Differenzierungsprotokoll verwendet und optimiert werden, das auf sog. lineage selection beruht, also auf der Anreicherung differenzierter Zellen auf Grundlage der Expression eines Reportergens, das in Abhängigkeit eines gewebespezifischen Promotors exprimiert wird. Die differenzierten Leberzellen bzw. leberzellähnlichen Zellen sollen dann hinsichtlich molekularbiologischer, biochemischer und physiologischer Parameter umfassend charakterisiert werden.

4. Hochrangigkeit der Forschungsziele

Entsprechend der im Antragsverfahren erbrachten wissenschaftlich begründeten Darlegung dienen die genehmigten Forschungsarbeiten an hES-Zellen nach übereinstimmender Auffassung der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) und des RKI hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung sowie der Erweiterung medizinischer Kenntnisse im Sinne des § 5 Abs. 1 StZG. Für diese Beurteilung sind folgende Gründe maßgeblich:

Ziel der im ersten Projektteil genehmigten Forschungsarbeiten ist es, Erkenntnisse über charakteristische Veränderungen von sich differenzierenden hES-Zellen nach der Einwirkung verschiedener Noxen, z.B. toxischer Substanzen, zu gewinnen. Aus den Untersuchungen sind unter anderem Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen der schädigenden Wirkung dieser Noxen auf sich differenzierende und differenzierte menschliche Zellen zu erwarten, woraus voraussichtlich Rückschlüsse auf ihre Wirkung in der menschlichen Entwicklung gezogen werden können. Ferner sollen, beispielsweise durch die Untersuchung des Einflusses von bestimmten Substanzen auf die gewebetypische Differenzierung von hES-Zellen zu bestimmten Zelltypen, neue Erkenntnisse über Moleküle und Signaltransduktionswege erlangt werden, die bei der Differenzierung in bestimmte gewebetypische Zellen des Menschen eine Rolle spielen.

Die im Rahmen des genehmigten Projektes ermittelten Toxizitäts-Signaturen sollen Eingang in einen humanspezifischen Toxizitäts-Atlas finden, der im Rahmen des o.g. EU-Projektes erstellt werden soll. Auf dieser Grundlage könnten dann neue zellbasierte Testsysteme, beispielsweise für die Beurteilung potentieller toxischer oder entwicklungstoxischer Wirkungen von Arzneimitteln, entwickelt werden. Diese würden auf humanen Zellen beruhen und damit voraussichtlich eine höhere Aussagekraft als derzeit verfügbare Systeme haben, die auf tierischen Zellen verschiedener Spezies basieren.

Im Rahmen der im zweiten Projektteil geplanten Arbeiten soll vor allem die Frage geklärt werden, ob eine Anreicherung von Zellen, die frühe Marker von Leberzell-Differenzierung exprimieren, und ihre anschließende hepatische Differenzierung zu Zellen führt, die Eigenschaften reifer, funktionsfähiger humaner Hepatozyten aufweisen. Infolge der Variation und Optimierung der für die Differenzierung verwendeten Protokolle sollen bei der Durchführung dieses Projektteils Erkenntnisse über die molekularen Vorgänge erzielt werden, die bei der Differenzierung von hES-Zellen zu Leberzellen ablaufen. Durch vergleichende Untersuchungen der Eigenschaften von aus hES-Zellen differenzierten Zellen mit denen primärer Hepatozyten lassen sich zudem vermutlich Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Variationen in den Differenzierungsbedingungen zu Zellen führen können, die bestimmte hepatische Stoffwechselaktivitäten aufweisen (beispielsweise Aktivität von Komponenten von Cytochrom P450). Dies kann Grundlage für die weitere Optimierung und Standardisierung der Verfahren zur Gewinnung von menschlichen Leberzellen mit hoher metabolischer Aktivität sein.

Die Entwicklung von Verfahren zur standardisierten Gewinnung von Zellen mit möglichst vielen Charakteristika primärer Hepatozyten ist auch im Hinblick auf mögliche Anschlussprojekte zur Erweiterung medizinischer Kenntnisse ein hochrangiges Forschungsziel. So ist bekannt, dass die Metabolisierung vieler Substanzen in der Leber speziesabhängig in verschiedener Weise erfolgt. Die Aussagekraft von Untersuchungen an tierischen Zellen, beispielsweise im Rahmen von In-vitro-Toxizitätstests, ist daher begrenzt und die Übertragung der Ergebnisse entsprechender Untersuchungen auf den Menschen nur unter Vorbehalten möglich. Auf humanen Leberzellen beruhende Testsysteme würden voraussichtlich spezifischere Aussagen über Arzneimittelrisiken für den Menschen ermöglichen.

5. Notwendige Vorarbeiten und Erforderlichkeit der Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen für die mit dem Vorhaben verfolgten Fragestellungen

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass das Projekt in allen wesentlichen Punkten ausreichend vorgeklärt und der Übergang zur Nutzung humaner ES-Zellen folglich gerechtfertigt ist.

Bisherige Untersuchungen des Genehmigungsinhabers an murinen embryonalen Stammzellen (mES-Zellen) haben zur Etablierung und Fortentwicklung des sog. Embryonalen Stammzelltests (embryonic stem cell test, EST) beigetragen, der auf Untersuchungen an sich kardial differenzierenden mES-Zellen basiert und im Rahmen von entwicklungstoxikologischen Untersuchungen Anwendung findet. Die Identifizierung von Toxizitätssignaturen auf Grundlage von Genexpressionsanalysen ist eine Standardmethode, die bereits zur Etablierung mehrerer Datenbanken geführt hat, die entsprechende Expressionsdaten auf Grundlage von Versuchen mit tierischen (primären) Zellen enthalten. Im Labor des Genehmigungsinhabers sind zudem die zum Einsatz kommenden Methoden für die Genexpressionsanalysen und die Erstellung von Expressionsprofilen etabliert.

Der Genehmigungsinhaber hat ferner eigene erfolgreiche Arbeiten zur Differenzierung von mES-Zellen zu leberzellähnlichen Zellen dargelegt, in denen das Prinzip entwickelt und getestet wurde, das auch bei der Differenzierung von hES-Zellen zum Einsatz kommen soll (Anreicherung AFP-positiver Zellen). Da sich die Stoffwechselprofile muriner und humaner Hepatozyten teilweise deutlich voneinander unterscheiden, ist die weitere Klärung der Frage, durch welche spezifischen Optimierungen an den zur Differenzierung verwendeten Methoden und Verfahren mES-Zellen in noch besser funktionale Leberzellen umgewandelt werden können, voraussichtlich mit keinem für das hier beantragte Vorhaben relevanten Erkenntnisgewinn verbunden. Ferner liegen in der internationalen Literatur bereits mehrere Arbeiten vor, in denen Protokolle zur Differenzierung von hES-Zellen zu Zellen mit Eigenschaften humaner Hepatozyten beschrieben worden sind.

Im Antragsverfahren wurde weiterhin dargelegt, dass sich der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn voraussichtlich nur unter Verwendung von hES-Zellen erreichen lässt.

Ausgangspunkt für das genehmigte Projekt ist die Tatsache, dass tierische und menschliche Zellen teilweise unterschiedlich auf identische Noxen reagieren. Daher sollen hier die molekularen Grundlagen der humanspezifischen Reaktion auf bestimmte Noxen untersucht werden und Aussagen darüber getroffen werden, welche Noxen zu welchen molekularen Veränderungen, beispielsweise im Transkriptom menschlicher Zellen, führen. Dies erfordert zwingend die Verwendung humaner Zellen. Die Erstellung von Toxizitäts-Signaturen soll zu verschiedenen Zeitpunkten der Differenzierung der Zellen erfolgen. Derzeit sind Untersuchungen an humanen EBs erforderlich, um Aussagen über Eigenschaften von verschiedenen Zellen zu einem Zeitpunkt zu treffen, der einem sehr frühen Stadium der Entwicklung menschlicher Zellen entspricht. Die Verwendung von EBs ist überdies Voraussetzung dafür, zahlreiche verschiedene frühe Zelltypen des Menschen, deren Genexpressionsmuster infolge der Wirkungen von Noxen potentiellen Veränderungen unterliegen können, simultan untersuchen zu können. Die Herstellung humaner EBs erfordert jedoch die Nutzung embryonaler Stammzellen des Menschen.

Die genehmigten Arbeiten sollen auch der Entwicklung von Grundlagen für verbesserte In-vitro-Testsysteme dienen, beispielsweise zur Bestimmung von toxischen und entwicklungstoxischen Arzneimittelnebenwirkungen. Die Verfügbarkeit ausreichender Mengen reproduzierbar zu gewinnender, standardisierter humaner Zellen wäre eine Voraussetzung für In-vitro-Testsysteme, mit denen eine zuverlässigere Bestimmung humanspezifischer Toxizität möglich ist. Bisherige humanspezifische In-vitro-Untersuchungen in der Forschung basieren teils auf den jeweils verfügbaren primären menschlichen Zellen, die häufig schlecht standardisierbar und wenig charakterisiert sind und zudem meist in nur geringer Zahl erhältlich sind. Etablierte humane Zell-Linien wurden meist aus Tumoren abgeleitet oder sind durch Immortalisierung fötaler Zellen mit Onkogenen entstanden. Sie haben daher regelmäßig nicht mehr die für die Erstellung authentischer Toxizitäts-Signaturen erforderlichen Eigenschaften primärer Zellen. Für die Testung von humanspezifischen Entwicklungs­schädigungen sind derzeit keine zellulären Testsysteme verfügbar. Insofern erfordert die Entwicklung von Grundlagen für verbesserte, humanspezifische In-vitro-Testsysteme nach derzeitigem Kenntnisstand die Verwendung von hES-Zellen.

Auch Untersuchungen zur hepatischen Differenzierung erfordern nach gegenwärtigem Kenntnisstand die Verwendung humaner ES-Zellen. Hepatozyten verschiedener Spezies unterscheiden sich bezüglich ihrer metabolischen Kapazität und Spezifität teils erheblich, so dass davon auszugehen ist, dass auch die Entwicklung von Vorläuferzellen zu Hepatozyten in einer für die jeweilige Spezies typischen Weise erfolgt. Die Prozesse der menschlichen Leberzelldifferenzierung können folglich nur an menschlichen Zellen untersucht werden.

Im Antragsverfahren wurde dargelegt, dass Zellen, die bestimmte Eigenschaften menschlicher Hepatozyten aufweisen, zwar auch aus verschiedenen adulten Stammzellen (mesenchymalen Stammzellen, Monozyten-Vorläuferzellen) gewonnen werden können. Diese Zellen produzieren einige leberzelltypische Proteine und besitzen auch eine gewisse leberzelltypische metabolische Aktivität. Jedoch ist die für Hepatozyten entscheidende Fähigkeit, Xenobiotika induzierbar metabolisieren zu können, in diesen Zellen nicht oder nur wenig ausgeprägt. Insofern ist fraglich, ob die molekularen Prozesse, die bei der hepatischen In-vitro-Differenzierung adulter Stammzellen vor sich gehen, mit jenen identisch sind, die bei der Entwicklung von funktionalen Leberzellen aus hES-Zellen in vivo ablaufen, und ob eine Untersuchung dieser Prozesse am jeweils anderen System zielführend ist. Die Prozesse der Leberregeneration im adulten Organismus und die Natur der daran beteiligten (Vorläufer-) Zellen sind derzeit noch wenig verstanden. Insofern kommen auch gewebespezifische Vorläuferzellen als zuverlässige Quelle zur Gewinnung menschlicher Hepatozyten nach derzeitigem Kenntnisstand nicht in Betracht.

Auch für humane induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) des Menschen ist die Eignung für die Erreichung der formulierten Forschungsziele derzeit wissenschaftlich nicht belegt. Es ist nicht bekannt, ob frühe Differenzierungsprozesse im EB an iPS-Zellen in gleicher Weise untersucht werden können wie an hES-Zellen. Ferner wurde eine spezifische Differenzierung von iPS-Zellen in die hier interessierende hepatische Linie bislang nicht beschrieben. Es ist daher gegenwärtig nicht geklärt, ob iPS-Zellen bezüglich ihres hepatischen Differenzierungspotentials humanen ES-Zellen vergleichbar sind. Folglich bleibt auch im Hinblick auf den derzeitigen Kenntnisstand über iPS-Zellen die Verwendung von hES-Zellen zur Erreichung der Projektziele erforderlich.

Stand: 05.05.2010

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